I Selbstanzeige
Über eine Selbstanzeige gelangt man zur Straffreiheit für eine versuchte oder bereits beendete Steuerhinterziehung. In bestimmten Fällen ist eine Selbstanzeige ausgeschlossen.
Es bleibt ggf. die Möglichkeit, ein Absehen von Strafverfolgung, eine Einstellung des Verfahrens oder eine Strafmilderung zu erreichen. Ihr Steueranwalt bzw. Steuerstrafverteidiger wird Ihnen die Unterscheide näher erläutern.
Die Selbstanzeige ist insbesondere fiskalisch motiviert. Über dieses Rechtsinstitut sollen bislang unbekannte Steuerquellen erschlossen werden.
Es kommt daher nicht darauf an, aus welcher Motivation heraus eine Selbstanzeige abgegeben wird. So sind Freiwilligkeit oder Reue keine Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Selbstanzeige.
Die Existenz der Selbstanzeige stellt, entgegen Darstellungen in der Öffentlichkeit, keine verfassungswidrige Privilegierung dar. Dies ist höchstrichterlich entschieden.
Zudem existieren ähnliche Regelungen außerhalb der Abgabenordnung, zB im Beitragsstrafrecht oder bei der Geldwäsche.
I Leistungen
Die Kanzlei bietet im Kanzleifokus Selbstanzeige bundesweite Beratung und Vertretung für Unternehmen, Unternehmer und Privatpersonen. Eine Beratung ist auch im Ausland (zB Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein) möglich.
Typische Beratungsleistungen im Bereich der Selbstanzeige sind: Prüfung, ob die Abgabe einer Selbstanzeige überhaupt möglich bzw. sinnvoll ist; Abgrenzung zur Fremdanzeige (§ 371 Absatz 4 AO), Berichtigungserklärung (§ 153 AO) und Rücktritt (§ 24 StGB); Erläuterung der Voraussetzungen für die Abgabe einer Selbstanzeige; Erläuterung der strafrechtlichen, außerstrafrechtlichen und steuerlichen Folgen; Erstellung von Selbstanzeigen, Fremdanzeigen und Berichtigungserklärungen; Begleitung und Beratung in der Phase nach Abgabe der Selbstanzeige; Berater der Berater: interne und externe Unterstützung von rechts- und steuerberatenden Kollegen; Vertretung bei Streit mit Finanzbehörden, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht über die Wirksamkeit einer Selbstanzeige; Steuerstrafverteidigung vor Gericht.
I Beratung und Verteidigung in Selbstanzeigefällen
Die Selbstanzeigeberatung bzw. die Erstattung der Selbstanzeige durch Ihren Anwalt oder Steuerberater ist noch keine Steuerstrafverteidigung.
Es ist daher möglich, in diesem Stadium mehrere Täter bzw. Teilnehmer einer Steuerhinterziehung zu beraten und zu vertreten. Dies ist zB im Unternehmenskontext oder bei Erbengemeinschaften von Bedeutung.
Kosten einer Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung
Zu eigenen Gunsten hinterzogene Steuern sind nachzuentrichten. Hinzu kommen Hinterziehungszinsen von 6% pro Jahr. Im Falle einer nur versuchten Steuerhinterziehung sind keine Steuern bzw. Zinsen zu zahlen.
Übersteigt die Steuerverkürzung einen Betrag von 25.000 EUR je Tat, ist eine Selbstanzeige zwar ausgeschlossen. Es besteht allerdings die Möglichkeit, über die Zahlung eines Strafzuschlags ein Absehen von Strafverfolgung zu erreichen (vgl. § 398a AO). Der Zuschlag ist nach Hinterziehungsbeträgen gestaffelt.
Ferner fallen Kosten für die Erstellung der Selbstanzeige an. Hier existieren unterschiedliche Modelle, zB eine Vergütung nach Zeitaufwand. Die Einzelheiten erläutert Ihnen Ihr Steueranwalt bzw. Steuerstrafverteidiger.
Anlässe für die Abgabe einer Selbstanzeige
Es bestehen diverse Risikokonstellationen, in denen eine Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung angezeigt sein kann.
Typische Risikosituationen sind beispielsweise:
Ankauf von sog. Daten- bzw. Steuer-CDs durch den Staat, Schwerpunktprüfungen einer Branche bzw. bestimmter Steuerpflichtiger durch das Finanzamt (Betriebs- bzw. Außenprüfung), Kontrollmitteilungen anderer Behörden, Mitteilungen von Gerichten, (anonyme) Anzeigen, Presseberichterstattung, Prüfungen durch Sozialversicherungsträger, Ankündigung einer Außenprüfung bzw. Betriebsprüfung, Selbstanzeigen anderer Personen, Erbfälle, Scheidungen bzw. Trennungen von Partnern, Streitigkeiten im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, Durchsuchungen bei Vertragspartnern oder Banken.
Sonderthema Steuer-CDs in Steuerhinterziehungsfällen
Bis heute ist nicht abschließend geklärt, ob der Ankauf und die Verwertung sog. „Steuer-CDs/Daten-CDs“ rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht. In diesem Zusammenhang ist unter anderem die Frage zu klären, ob sich Vertreter des Staates strafbar gemacht haben.
Denn die Daten wurden in der Regel durch den Verkäufer rechtswidrig erlangt. Folge einer solchen Strafbarkeit kann ein steuerliches und strafrechtliches Verwertungsverbot sein. Die Daten dürften dann nicht Eingang in ein Steuerverfahren bzw. Steuerstrafverfahren finden.
Von staatlicher Seite wird regelmäßig angeführt, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sowie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hätten den Ankauf und die Verwertung von Steuer-CDs abgesegnet. Eine derart pauschale Aussage greift aber zu kurz, wie ein näherer Blick auf diese Entscheidungen zeigt:
Zwar gehen sowohl der EGMR als auch das BVerfG von einer Verwertbarkeit der Erkenntnisse der Steuer-CD-Daten aus, soweit sie als Grundlage für die Annahme eines steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts für eine Wohnungsdurchsuchung dienen.
Man kann jedoch auf Basis der Entscheidung des BVerfG (vom 9.11.2010 – 2 BvR 2101/09) in anderen Steuer-CD-Fällen, in denen „schwerwiegende, bewusste oder willkürliche Verfahrensverstöße vorliegen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind“, zu einem anderen Ergebnis – sprich: zur Nichtverwertbarkeit der Daten – kommen.
Zur Vollständigkeit des Bildes der Steuer-CD-Entscheidung des BVerfG gehört auch, dass das Gericht nicht darüber befunden hat, ob die illegal erworbenen Daten als Grundlage einer strafrechtlichen Verurteilung dienen dürfen.
Eingangs hat das BVerfG zudem mittels eines juristischen Kunstgriffs nicht zu der Frage Stellung genommen, ob sich staatliche Vertreter durch den Ankauf der illegal erstellten Daten strafbar gemacht haben. Man kann dies als Weigerung verstehen, sich auf einen rechtsstaatlichen Diskurs einzulassen.
In der Sache folgte dann Anfang Oktober 2016 das Urteil des EGMR (vgl. vom 6.10.2016 – 33696/11). Im Kern bestätigte der Gerichtshof die Entscheidung des BVerfG. Es zeigen sich aber auch Ansatzpunkte, die für die Verteidigung in anderen Steuer-CD-Fällen herangezogen werden können.
Festzuhalten bleibt damit:
Weder aus verfassungsrechtlicher noch aus europäischer Perspektive sind der Ankauf und die Verwertung von Daten einer Steuer-CD abschließend geklärt. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls. Diese können dann ggf. dazu führen, dass die illegal erlangten Daten nicht als Grundlage für die Annahme eines steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts bzw. einer steuerstrafrechtlichen Verurteilung dienen dürfen.
Darüber hinaus existieren im Zusammenhang mit dem Phänomen Steuer-CD weitere Entscheidungen, die von Ihrem Steueranwalt bzw. Steuerstrafverteidiger argumentativ eingebunden werden können.
Hierzu gehören insbesondere der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4.4.2017 (2 BvR 2551/12), der Beschluss des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz (VGH RLP) vom 24.2.2014 (VGH B 26/13) sowie das Urteil des AG Nürnberg vom 2.8.2012 (46 Ds 513 Js 1382/11).
Die Entscheidungen berühren unterschiedliche Ebenen im Rahmen der Steuerstrafverteidigung. Ihr Steueranwalt bzw. Steuerstrafverteidiger wird Ihnen die Einzelheiten gerne näher erläutern.
Das Phänomen Steuer-CD hat Rechtsanwalt und Steuerstrafverteidiger Thorsten Franke-Roericht, LL.M. in einer Aufsatzreihe in der Fachzeitschrift „Der Steuerberater (StB)“ umfassend beleuchtet (vgl. „Handwerkliche Fehler in Durchsuchungsbeschlüssen sowie anderen Irrungen und Wirrungen in Steuer-CD-Fällen“, Rubrik Publikationen).
Durchsuchung und Selbstanzeige
Trotz Abgabe einer Selbstanzeige ist in Einzelfällen eine Durchsuchung möglich.
Ihren Steueranwalt und Steuerstrafverteidiger Thorsten Franke-Roericht LL.M. erreichen Sie unter
0211/97264320.
Er wird Ihnen mitteilen, wie Sie sich bestmöglich zu verhalten haben.
Zudem besteht die Möglichkeit, die Durchsuchung vor Ort begleiten zu lassen. Bitten Sie daher den Leiter der Durchsuchung, bis zum Eintreffen Ihres Verteidigers mit der Maßnahme zu warten.
Hierauf besteht zwar kein Anspruch. Befindet sich Ihr Steuerstrafverteidiger jedoch in der Nähe, wird Ihr Wunsch in der Regel respektiert.
Selbstanzeige als anerkanntes Rechtsinstitut
Die Selbstanzeige ist seit Jahrzehnten immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Fest steht: Die Selbstanzeige ist ein bewährtes und durch den Gesetzgeber sowie die Rechtsprechung anerkanntes Institut unseres Rechtssystems.
Die erneute Verschärfung des Selbstanzeigerechts ändert nichts an dieser Bewertung. Die Wurzeln der Selbstanzeige reichen bis hinter das Jahr 1919 zurück. Ihr Zweck ist es insbesondere, dem Staat bislang unbekannte Steuerquellen zu erschließen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies zuletzt relativiert: Angesichts der heutigen Ermittlungsmöglichkeiten gewinne die kriminalpolitische Zielsetzung – Rückkehr zur Steuerehrlichkeit – an Bedeutung.
Die jeweilige Zielsetzung hat Folgen für die Auslegung der Merkmale der Selbstanzeige, zB die einzelnen Sperrgründe.
Vertraulichkeit einer eingereichten Selbstanzeige
Die Selbstanzeige wird gegenüber der Finanzbehörde erklärt. Diese ist wegen des Steuergeheimnisses verpflichtet, die Selbstanzeige vertraulich zu behandeln.
Das Steuergeheimnis (§ 30 AO) gilt auch für Bedienstete der Polizei oder Staatsanwaltschaft sowie für Richter oder Schöffen, sofern sie dienstlich von Verhältnissen anderer erfahren haben.
Ein Bruch des Steuergeheimnisses wird mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft (§ 355 StGB).
Nebenfolgen in Selbstanzeigefällen
Eine wirksame Selbstanzeige führt zur Straffreiheit. Dies gilt jedoch nur für Steuerstraftaten. Wird über die Selbstanzeige beispielsweise ein Betrugs- oder Korruptionssachverhalt aufgedeckt, sind diese Sachverhalte nicht von der Straffreiheit umfasst.
Ferner schützt eine wirksame Selbstanzeige grundsätzlich nicht vor berufs- bzw. disziplinarrechtlichen Konsequenzen. Betroffen sind beispielsweise Ärzte, Apotheker, Steuerberater, Lehrer oder Soldaten.
Im Einzelfall können weitere bzw. andere Nebenfolgen drohen, die im Rahmen einer Selbstanzeigeberatung stets im Blick zu behalten sind.
Reform: Das Recht der Selbstanzeige ab 1. Januar 2015
Das Recht der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung hat mit Wirkung ab 1.1.2015 zahlreiche Modifikationen – Verschärfungen und Entschärfungen – erfahren:
Ausdehnung des Berichtigungszeitraums
Die Selbstanzeige muss nun alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber alle Steuerstraftaten der letzten zehn Kalenderjahre umfassen. Damit soll, so die Vorstellung des Gesetzgebers, eine Angleichung an die steuerliche Festsetzungsverjährung erfolgen.
Absenkung der Grenze für die Straffreiheit
Im Falle einer Steuerhinterziehung von über 25.000 EUR pro Tat tritt keine Straffreiheit durch eine Selbstanzeige ein. Der ursprüngliche Betrag lag – vor der Reform – bei 50.000 EUR pro Tat. Bei Zahlung eines bestimmten Strafzuschlags wird jedoch von einer Strafverfolgung abgesehen.
Straffreiheit nur gegen zusätzliche Zinszahlung
Neben den hinterzogenen Steuern sind verpflichtend nun auch (Hinterziehungs-)Zinsen zu zahlen. Letzteres war bislang nicht Voraussetzung für die Erlangung der Straffreiheit.
Erstmalige Staffelung des Strafzuschlages
Der Strafzuschlag beträgt bei Hinterziehungen bis 100.000 EUR 10%, zwischen 100.000 EUR und 1 Million EUR 15 % sowie über 1 Million EUR 20% des Hinterziehungsbetrages. Bislang existierte ein feststehender Zuschlag in Höhe von 5%.
Reform der Sperrgründe
Einzelne Sperrgründe wurden persönlich erweitert, sachlich ausgedehnt bzw. zeitlich und sachlich beschränkt.
Teilselbstanzeigen in Sonderfällen möglich
Es gilt weiterhin der Grundsatz der Vollständigkeit der Selbstanzeige. In Sonderfällen ist nun allerdings – beispielsweise bei Umsatzsteuervoranmeldungen – eine Teilselbstanzeige zulässig.
Exkurs: Neufassung der Anlaufhemmung für die steuerliche Festsetzungsverjährung
Sind Erträge aus Kapitalanlagen außerhalb der EU bzw. der Europäischen Freihandelsassoziation betroffen, kann aufgrund einer geänderten Anlaufhemmung für die steuerliche Festsetzungsverjährung eine Nacherhebung von Steuern ggf. bis zu 25 Jahre zurückgehend drohen.
Dies jedenfalls dann, wenn der Drittstaat keine Auskünfte in einem automatisierten Informationsaustauschverfahren mitteilt.